10 Punkte, an denen man eine gute und seriöse spirituelle Dienstleistung erkennt
Ich muss zugeben, dass mein Artikel über spirituellen Missbrauch deutlich größere Wellen geschlagen hat als ich vermutet hatte. Und das meine ich im negativen Sinn, denn mich erreichten daraufhin sehr viele Nachrichten von Betroffenen. Ich hab‘ das jetzt alles mal eine Weile lang sacken lassen und würde euch heute gerne eine Checkliste an die Hand […]
Ich muss zugeben, dass mein Artikel über spirituellen Missbrauch deutlich größere Wellen geschlagen hat als ich vermutet hatte. Und das meine ich im negativen Sinn, denn mich erreichten daraufhin sehr viele Nachrichten von Betroffenen. Ich hab‘ das jetzt alles mal eine Weile lang sacken lassen und würde euch heute gerne eine Checkliste an die Hand geben, mit der ihr zukünftig hoffentlich nicht mehr in solche Situationen geratet. Und „gute“ spirituelle Dienstleistung bedeutet in diesem Kontext, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass es zu Grenzüberschreitungen und spirituellem Missbrauch kommt.
Ich habe ja im vergangenen Jahr bereits einen Artikel über den Umgang mit spirituellen Dienstleistungen in dieser crazy Zeit geschrieben.
Ich weiss nicht, wie es um euch gerade so steht, aber ich bin so müde, was diesen Spiri Zirkus angeht, der von weißen, heterosexuellen cis*Menschen dominiert wird, die sich nach Lust und Laune an indigenen Kulturen bedienen und sich dabei feengleich, erleuchtet und latent entrückt inszenieren. SO. MÜDE.
Gleichzeitig gibt es einen Teil in mir, der seit Pandemiebeginn zu verrecken droht. Der nicht ganz so irdische Teil, der Dinge wahrnimmt, die man nicht anfassen kann oder auf Dinge reagiert, die aus rein wissenschaftlicher Sicht zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht so wirklich viel Sinn machen. Dieser Teil sehnt sich nach Input und Stimulation, die ich ihm aktuell nicht wirklich liefern kann. Alles zu schwurbelig, menschenverachtend und verschwörungsideologisch. Falls es euch genauso geht und ihr auf der Suche nach frischem feinstofflichen Input seid, könnten euch die folgenden 10 Punkte bei der Auswahl einer zu euch passenden spirituellen Dienstleistung vielleicht helfen:
1. Ist die betreffende Person ausgebildet in dem, was sie tut?
Don’t get me wrong: Das bedeutet im Umkehrschluss natürlich keineswegs, dass alle Menschen, die keine Ausbildung mitbringen, Grenzen überschreiten. Aber wenn wir mit spirituellem Missbrauch zu tun haben, dann wird fast immer in Fachbereichen rumgestümpert, in denen keine eigene Expertise vorliegt (vor allem in den Bereichen Psychotherapie und Sexualtherapie).
2. Welchen Eindruck vermittelt die Website?
Zählt mal das Wort „ICH“. Geht es primär um die Dienstleistung oder dreht sich alles um die behandelnde Person? Findet ihr Antworten auf eure Fragen oder ist die ganze Sache eher diffus gehalten? Wisst ihr, bezogen auf die angebotene Dienstleistung, woran ihr seid oder stellt sich vielmehr eine Faszination durch die Darstellung der behandelnden Person ein?
3. Wirbt die betreffende Person mit Heilsversprechen?
Heutzutage scheint sich ja alles um Heilung zu drehen. Als Physio, und somit offiziell ausgebildete Heilberuflerin, käme es mir allerdings selbst nie in den Sinn, zu behaupten, ich würde heilen. An dieser Stelle ist es jedoch ganz wichtig, nicht pauschal alle Heilpraktiker*innen über einen Kamm zu scheren. Was die meisten Menschen nämlich vermutlich nicht wissen: In unserem deutschen Gesundheitssystem zählen beispielsweise Physios zu medizinischem Hilfspersonal. Wer Beschwerden hat, muss deshalb zuerst zu einem Arzt, um sich eine Überweisung zu holen. Im Ausland läuft das anders. Daher machen sehr viele richtig gute Physios irgendwann auch den Heilpraktiker, um selbst abrechnen zu können. Ich kenne selbst sehr viele Physios, die top aus- und weitergebildet sind, und über den Heilpraktiker abrechnen. So weit, so unproblematisch, weil diese Menschen bereits eine stabile medizinische Grundausbildung durchlaufen haben.
Aber auf der anderen Seite gibt es natürlich auch reihenweise Scharlatane, die diese Heilpraktiker-Nische nutzen, um exzessiv rumzustümpern. Das sind dann auch meistens die, die behaupten, heilen zu können. Diese Menschen stellen sich in der Regel über einen selbst. Womit wir schon gleich beim nächsten Punkt wären.
4. Begegnet die behandelnde Person mir auf Augenhöhe?
Oder gibt es von Anfang an ein „Erleuchtungsgefälle“? Augenhöhe wäre eine gesunde Basis für alles, was folgt. Alles andere wäre ein Grund dafür, schnellstens den Rückwärtsgang einzulegen.
5. Wie gestaltet sich die Preispolitik?
Auch Menschen, die spirituelle Dienstleistungen anbieten, müssen sich krankenversichern und Steuern zahlen. Daher halte ich auch „Pay What You Want“ Modelle für unseriös. Höchste Vorsicht ist allerdings geboten, wenn vollkommen überzogene Preise aufgerufen werden, die in keiner Relation zur angebotenen Dienstleistung stehen.
6. Werde ich an Folgetermine gebunden oder zu Folgeterminen verpflichtet?
Im Idealfall entscheide ich ganz alleine, ob mir etwas gut getan hat und ob ich das wiederholen möchte. Sofern die behandelnde Person sehr pushy ist und versucht, mich zum Wiederkommen oder Weitermachen zu überreden, ist Vorsicht geboten.
7. Fühle ich mich während der Dienstleistung sicher und gut aufgehoben?
Im Gegensatz zu „normalen“ Dienstleistungen wird bei spirituellen Dienstleistungen mit etwas gearbeitet, was sich nicht richtig greifen lässt. Nennen wir es Anbindung an was auch immer. Oder wie ich es beim Sound Bath empfinde: Klang kann uns daran erinnern, dass wir mehr sind als dieser physische Körper. Und genau das ist die Grauzone, die viele Menschen an dieser Art Dienstleistung fasziniert und leider auch genau der Bereich, der spirituellem Missbrauch Tür und Tor öffnet.
Um beim Thema Klang zu bleiben: Man kann Menschen mit Klängen in Dimensionen katapultieren, dass sie nach der Veranstaltung total verstört nach draußen taumeln. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die behandelnde Person diese Grenzen genau (er-)kennt und entsprechend (be-)handelt. Ab einer gewissen Gruppengröße ist das meiner Meinung nach kaum noch möglich. Aber auch bei einer adäquaten Zahl an Teilnehmenden ist es bisweilen sehr herausfordernd und deutlich anspruchsvoller, als eine Gruppe zu leiten, bei der dieser Bereich der Anbindung nicht touchiert wird. Das erfordert neben einer ordentlichen Portion Verantwortungsgefühl den Teilnehmenden gegenüber also vor allem auch Übung.
8. Werden meine Grenzen gewahrt?
Grenzüberschreitungen in diesem Bereich sind oftmals sehr subtil und nur schwer greifbar. Sie fühlen sich diffus, schwammig, aber definitiv ungut an. Der Moment, in dem das Gedankenkarrussel startet und man sich fragt, ob gerade eine Grenzüberschreitung stattfindet, ist für gewöhnlich genau der Moment, in dem man sich bereits in der Grauzone befindet.
9. Gibt es Schnittmengen zum Querdenker-Milieu?
Machen wir uns nichts vor: Telegram als einzige Option der Kontaktaufnahme und schwurblerisches Gedankengut sorgt in der Regel dafür, dass die betreffende Person sich für „wacher“, „weiter“ und „erleuchteter“ hält. Zweifelsohne ein super Nährboden für spirituellen Missbrauch. Von den immensen gesellschaftlichen und politischen Problemen mal ganz abgesehen.
10. Geht es mir danach besser als davor?
Klingt fast schon zu banal, aber das ist in der Tat eine sehr wesentliche Frage. Und ich meine damit nicht sowas wie einen Muskelkater nach der Yogaklasse, sondern vielmehr das allgemeine Grundgefühl. Ich halte es für problematisch, wenn im Sinne der Heilung erstmal dunkle Täler durchschritten werden sollen, damit es einem irgendwann in der Zukunft besser geht.
Denn eines sollten wir immer auf dem Schirm haben: Spirituelle Dienstleistungen ersetzen nie eine Psychotherapie, sie sind kein Ersatz für Sexualtherapie und natürlich(!) ersetzen sie auch keine medizinisch indizierte Behandlung. Und wer das Gegenteil behauptet, bewegt sich auf verdammt dünnem Eis.