Wir brauchen einen politischen Diskurs zu Faschismus in der spirituellen Szene!
Im Prinzip ist mit der Überschrift ja schon alles gesagt, denn ich fühle Monat für Monat mehr Ohnmacht und Wut in mir aufsteigen, was das Thema Faschismus in der spirituellen Szene angeht. 2020 hat für mich vieles verändert. Ich gebe an dieser Stelle ganz offen zu, dass Geschichte während der Schulzeit nie zu meinen Lieblingsfächern […]
Im Prinzip ist mit der Überschrift ja schon alles gesagt, denn ich fühle Monat für Monat mehr Ohnmacht und Wut in mir aufsteigen, was das Thema Faschismus in der spirituellen Szene angeht.
2020 hat für mich vieles verändert. Ich gebe an dieser Stelle ganz offen zu, dass Geschichte während der Schulzeit nie zu meinen Lieblingsfächern gehörte und ich empfand es als extrem quälend, dass das Thema „Nationalsozialismus“ in gefühlt jedem Fach außer Mathematik in irgendeiner Form den Lehrplan füllte.
In meiner grenzenlosen Naivität bewegte ich mich 40 Jahre lang durchs Leben und ging davon aus, dass dieses Thema ein historisches ist. Dass dieses menschenverachtende Gedankengut in der Mehrheit der Köpfe hierzulande ausgerottet ist.
Und dann kam Corona.
Die Pandemie hat für mein Gefühl alles verstärkt, was auch vorher schon da war und dadurch sehr viele Hässlichkeiten sichtbar gemacht, vor denen wir nun nicht mehr länger die Augen verschliessen können. Und eine dieser Hässlichkeiten ist die rechte Gesinnung – natürlich nicht nur, aber auch innerhalb der spirituellen Szene.
Ich würde mich selbst mittlerweile durchaus als spirituell bezeichnen. Schließlich basiert mein berufliches Wirken auf Klang, Astrologie und Reiki. Gleichzeitig würde ich mich aber auch als einen Menschen bezeichnen, der sich klipp und klar gegen Faschismus positioniert. Und nein, das heisst nicht, dass ich Steine werfe oder Autos anzünde. Aber ja, ich bin demzufolge also Antifaschistin.
Dass ich damit innerhalb der spirituellen Szene während einer Pandemie ziemlich alleine dastehe, hätte ich mir noch 2019 nicht ansatzweise vorstellen können. Wer hier schon länger mitliest, weiss ja, dass ich in der Vergangenheit die wildesten Sachen ausprobiert habe. Von Karma Sessions über Aura Fotoshootings bis hin zur philippinischen Geistheilung. Ich bin von Natur aus sehr neugierig, habe euch zu diesen Abenteuern immer mitgenommen und euch im Anschluss hier auf dem Blog darüber berichtet.
Dass wir mehr als unser physischer Körper sind, in dem wir durch diese Inkarnation taumeln, stand für mich dabei immer außer Frage. Denn selbst bei meiner medizinischen Physio Ausbildung lernten wir früh, dass wir uns nach Behandlungen mit kaltem Wasser die Arme und die Hände waschen sollen und bei Fußreflexzonenmassagen immer auf flächigen Bodenkontakt mit unseren eigenen Füßen achten sollen, um die Fremdenergien an die Erde abzuleiten.
Ich weiss, dass es sehr viele Menschen da draussen gibt, die alles negieren, was die Wissenschaft zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht beweisen kann. Einige wenige solcher rationalen Menschen gehören auch zu meinem Inner Circle und nach dem Ausbruch der Pandemie habe ich sie hart beneidet für ihr rationales Umfeld, in dem nicht plötzlich alle durchdrehten, gegen die Regierung wetterten und von Echsenmenschen redeten.
Leider sind es aber auch immer genau diese Menschen, die Fernsehdokumentationen zum Thema „Spiritualität“ drehen. Wenn ich mir diese überspitzten Darstellungen anschaue, fühle ich mich jedes Mal als esoterischer Freak abgestempelt. So ähnlich wie den Protagonisten in dieser ZDF Doku muss es früher den kleinwüchsigen Menschen in der Zirkusmanege ergangen sein, während die Menge ihnen bei irgendwelchen Kunststückchen zugeschaut hat.
Natürlich gibt es diese Scharlatane auf dem kunterbunten Esoterik-Markt , die Menschen in Not ohne Skrupel das Geld aus der Tasche ziehen. Und weil das Thema „Spiritualität“ hierzulande medial immer mit diesen Vögeln verknüpft wird, beschäftigen sich viele bodenständige Menschen nur hinter vorgehaltener Hand mit spirituellen Themen. Obwohl sie fühlen, dass eine gute Yogaklasse, ein professionell erstelltes Horoskop oder ein Sound Bath irgendwie auf gute Art mit ihnen in Resonanz gehen. Auch wenn sie sich nicht erklären können, warum.
In den USA ist bereits ein Diskurs entstanden, der mir hierzulande fehlt.
Ein Diskurs, der auch von Menschen innerhalb der spirituellen Szene angestoßen (wie zum Beispiel hier oder hier) und nicht von Redakteur:innen angezettelt wird, die mit dem ganzen Thema nichts zu tun haben und mal so richtig über die Eso Freaks abledern wollen.
Denn meiner Meinung nach kommen wir keinen Millimeter voran, wenn eher rational ausgerichtete Menschen sich über eher spirituell ausgerichtete Menschen erheben und sie allesamt als Spinner:innen abstempeln. Die Wissenschaftsfeindlichkeit innerhalb der spirituellen Szene ist by the way keinen Deut besser.
Aber wenn Corona uns eines gelehrt hat, dann doch auch, dass wir keine Maschinen sind! Uns fehlt Nähe. Uns fehlt zwischenmenschlicher und auch feinstofflicher Austausch. Uns fehlt Berührung! Wären wir einfach nur physische Körper, könnte man uns auf chinesische Art voneinander separieren und das Virus methodisch ausmerzen. Aber ich denke, wir haben in den vergangenen zwölf Monaten alle gemerkt, dass dieser Plan nicht aufgeht. Gleichzeitig führt auch die in der spirituellen Szene allgegenwärtige „Ich, Ich, Ich“-Mentalität nicht zum Ziel. An dieser Stelle genügt ein Blick in die Statistik der täglichen Todeszahlen.
Die Menschheit ist gespalten wie nie. Ein Magazin wie die Yoga Aktuell publiziert beständig verschwörungstheoretische Inhalte. Rüdiger Dahlke schwurbelt bei Clubhouse auf der Bühne rum und nennt das Spiritualität und auch Wolf Dieter Storl leugnet die Pandemie im großen Stil.
Eine Ent-Täuschung nach der anderen…
Ich weiss nicht, wie es euch geht, aber ich ziehe für mich gefühlt unentwegt Konsequenzen, um mich klipp und klar von Menschen und Unternehmen zu distanzieren, die ihre menschenverachtende Gesinnung in diesen Zeiten so schamlos nach außen tragen. Ich kaufe keine Sonnentor Produkte mehr, weil Sonnentor sich in Bezug auf Wolf Dieter Storl nicht klar positioniert hat. Ihr könnt das Statement ja in den Kommentaren nachlesen. Ich habe auch die Storl Baum-Hörbücher bei Audible zurück gegeben, die ich immer so gerne zum Einschlafen gehört habe. Ich kaufe keine Rapunzel Produkte mehr und auch die GLS Bank hat sich auf meine Nachfrage hin sehr unsauber positioniert, was zur Folge hat, dass ich zur EthikBank wechseln werde. Ich meide bestimmte Geschäfte, die ich „früher“ mochte, weil ich beim Betreten des Ladens aufgefordert wurde, die Maske abzunehmen. Ich könnte noch unzählige weitere Beispiele aufzählen. Es ist hart frustrierend.
Aber ganz losgelöst von dem Impfdrama, das die nächste Eskalationsstufe zünden wird (sofern es denn irgendwann mal Impfstoff geben sollte), müssen wir uns fragen: Wie soll denn das alles nach der Pandemie weitergehen? Wo kann ich noch eine Yogaklasse besuchen, ohne zwischen Nazis meine Matte auszurollen, wo kann ich noch Räucherwerk kaufen und wo mit gutem Gefühl eine Massage buchen?
Das sind ziemlich düstere Aussichten inmitten einer Szene, in der die Mehrheit der Menschen sich für besonders erleuchtet hält.
Umso wichtiger ist es, dass all‘ diejenigen, die sich der spirituellen Szene zugehörig fühlen und gleichzeitig gegen Faschismus sind, laut werden. Die große, rational ausgerichtete Mehrheit der Gesellschaft hört und sieht uns nämlich nicht.
Lasst uns für eine Zukunft einstehen, in der Spiritualität kein Synonym für Nazi ist. Lasst uns konsequent sein in unserem alltäglichen Konsum. Lasst uns nicht wegschauen, auch wenn es anstrengend ist!
Ich würde gerne einen Clubhouse Raum zu dem Thema dieses Artikels eröffnen. Wenn ihr Lust auf diesen Diskurs habt, meldet euch gerne! Und morgen Abend gibt es zum zweiten Mal den Spiritualität 4.0 Raum, den ich zusammen mit Kaja und Rebecca hoste. Falls ihr schon bei Clubhouse seid, kommt doch gerne mit dazu!
Jenny
Edit 07. Februar 2021: Ich weiss jetzt, warum sich so wenige Menschen öffentlich klar gegen Rechts positionieren. Mich haben einige Nachrichten und Kommentare erreicht, in denen ich angegangen, beleidigt und beschimpft wurde. Das sollte uns nachdenklich stimmen. Im Übrigen schalte ich keine Kommentare frei, die dem Zweck dienen, Fake News zu verbreiten. Wir sind hier schliesslich nicht bei Telegram.